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Gigaherz.ch 91. Rundbrief Seite 12
Lügen haben lange Beine
Wie sich eine Sensationsmeldung über angeblich reihenweise gefälschte Mobilfunkstudien nach sieben Jahren in Luft auflöst.
von Hans-U. Jakob, Schwarzenburg, 27. März 2015
 In einem Labor der Medizinischen Universität Wien soll die Auszählung der beschädigten Zellkerne, die zuvor unter hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung lagen und in der Folge erbgutverändern- de Wirkungen aufwiesen, von der verantwortlichen Labortechnikerin reihenweise gefälscht worden sein. Das Ergebnis wäre für die Mobilfunkbetreiber zu verheerend gewesen. Nach sieben Jahren kam die Wahrheit endlich ans Licht.
Ein Gerichtsfall mit tiefen Spuren bis in die Schweiz
In der von einem Millionenpublikum beachteten Gesundheitssendung PULS vom 2. Juni 2008 wurde
Der selbe Redaktionsleiter namens Gerald Trippel- mann erhob zusätzlich in der Ausgabe Nr. 23 vom 5. Juni 2008 des Wochenblattes „Schweizer-Familie“ (zweitgrösste Schweizer Wochenzeitung) nochmals dieselben Fälschungsvorwürfe: „Alle, die den Mo- bilfunk schon immer für harmlos hielten, lachen sich jetzt ins Fäustchen“, schrieb Trippelmann da- mals voller Häme, und von Daten, „die sich jetzt als Hirngespinst herausgestellt hätten.“
Es kam noch schlimmer:
Die PULS-Redaktion, gedeckt von der UBI und spä- ter sogar noch vom Bundesgericht, weigerte sich
folgende „Sensationsmel-
dung“ ausgestrahlt: Zitat ausdemOnline-Text:„Zwei
Wiener Studien, die in den
letzten drei Jahren für
Schlagzeilen gesorgt haben,
sind gefälscht. Eine Laborantin der Universität Wien hat reihenweise Daten erfunden. Jetzt hat eine Un- tersuchungskommission der Universität Wien die Fälschungen aufgedeckt. Die Studien behaupteten, Handystrahlung schädige das Erbgut und verursa- che eventuell Krebs. Beweise dafür gibt es also kei- ne. Dass Handystrahlung völlig harmlos ist, wurde allerdings auch noch nicht bewiesen.“
Im Originalton der TV-Sendung hiess es dann: „Nun kam ans Licht: die Labordaten waren reihenweise gefälscht, die Warnung somit voreilig. Dass Strah- len aus dem Handy das Erbgut schädigen und so- mit Krebs verursachen, war
beharrlich, ihre katastro- phale Falschmeldung zu widerrufen. Die UBI fand, Falschmeldungen unter 40 Sekunden Dauer müssten wegen ihrer Kürze nicht wi-
derrufen werden. Gigaherz rief daraufhin das Bun- desgericht an, doch dieses nahm den Notausgang und behauptete, dem Verein Gigaherz als Kläger fehle die nötige Nähe zur eingeklagten Problema- tik (!). Und die „Schweizer Familie“ veröffentlichte keinerlei korrigierende Leserbriefe. Siehe www.gi- gaherz.ch/bundesgericht-nimmt-den-notausgang/ und www.gigaherz.ch/luegen-am-schweizer-fern- sehen-neu-auf-40-sekunden-limitiert/
Urheber des Fälschungsvorwurfs verurteilt
wissenschaftlicher Betrug. Doch Achtung, dass Strah- len für Vieltelefonierer des- halb harmlos sind, beweist der Wissenschaftsskandal ebenso wenig.“
Der Redaktion PULS musste bereits 12 Stunden vor der Sendung klar sein, dass nicht die Studien, sondern die Pressemitteilung des Rektorates der Medizinischen UNI Wien gefälscht war (die spätere Untersuchung durch die unabhängige Beschwerde- instanz für Radio und Fernsehen UBI zeigte das auf). Trotzdem unterliess es die PULS-Redaktion, die 35 Sekunden dauernde Falschmeldung aus dem vorfa- brizierten Band herauszuschneiden.
Das Landgericht Hamburg verbot am 13.3.2015 dem beklagten Professor für Biologie und Dekan der privaten Jacobs-Univer- sität Bremen und langjähri- gen Vorsitzenden des Aus- schusses Nichtionisierende Strahlung der Deutschen Strahlenschutzkommissi- on, Alexander Lerchl, unter Androhung einer Geldstrafe von €250‘000 oder 6 Monaten Haft, im einfachen, oder bis 2 Jahren im Wiederholungsfall, weiterhin zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, dass die verantwort- liche Labortechnikerin aus Wien, namens Elisabeth Kratochvil jahrelang Daten für etwa 10 Publikation erfunden habe und es geschafft habe ihrem Chef, dem Arbeitsmediziner Prof. Rüdiger, die gefälschten
Daten unterzujubeln.
Falschmeldungen in Schweizer TV-Sendungen unter 40 Sekunden Dauer müssen wegen ihrer Kürze nicht widerrufen werden.
Das Urteil gegen
Prof. Alexander Lerchl ist unterdessen rechtskräftig und endgültig.








































































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