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Gigaherz.ch 95. Rundbrief Seite 15
 nis mehr. Aber die Risikoforschung auf dem Gebiet der elektromagnetischen Strahlung ist in einer speziellen Lage: Hier lassen sich viele Menschen nur allzu gern über die Wahrheit täuschen. Denn ein Leben ohne drahtlose Kommunikation scheint ihnen unvorstellbar. So möchten denn Journalisten über die Risiken dieser Technik lieber nichts be- richten müssen. Und viele Benutzer wollen nichts von den Risiken hören; ein Wissen davon könnte sie ja vor unangenehme Entscheide stellen. So sä- gen sie trotzig weiter am Ast, auf dem sie sitzen.
Die Anerkennung der Elektrosensibilität
als Knackpunkt
Wirtschaftlich-politische Interessen sowie Be- rührungsängste vieler Forscher gegenüber den Elektrosmog-Betroffenen verhindern, dass re- alitätsbezogene, erfolgversprechende Studien durchgeführt werden. Rööslis im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt 2012 verfasster Bericht Elektromagnetische Hypersensibilität (EHS) gipfelt denn auch im viel zitierten Fazit: „Kein ursächli- cher Zusammenhang zwischen Elektrosmog und den von Elektrosensiblen erlebten Symptomen nachweisbar“. Der Bericht spiegelt die desolate Studienlage in der EHS-Forschung. Was im Be- richt nicht steht: Die meisten Studien über EHS sind unbrauchbar, sei es, weil ihre Autoren dieses Phänomen nicht wirklich kennen, sei es, dass die Untersuchungen bewusst darauf angelegt waren, keinen Zusammenhang zu finden.
Die Industrie fürchtet am meisten den Nachweis, dass die Symptome elektrosensibler Menschen tatsächlich durch Strahlung ausgelöst werden. Deshalb ist die Elektrosensibilität der Knackpunkt. Sie muss unbedingt negiert oder als „psychisch“ abqualifiziert werden; letzteres tut die WHO in ih- rem Faktenblatt Nr. 296. Denn ist der Ursache-Wir- kungszusammenhang für die Elektrosensibilität als Spitze des Eisbergs erst einmal anerkannt, so folgt zwangsläufig, dass auch der grosse Rest unter der Wasserlinie betroffen ist: Potentiell kann in jedem Menschen durch elektromagnetische Einwirkun- gen die Tendenz zu einem Krankheitsgeschehen ge- fördert werden. Diese Einsicht wünschte man den
Krankenkassen dringend; für die milliardenschwe- re Telekom-Industrie wäre sie verheerend.
Deshalb wird auch beharrlich ignoriert, dass es seit vielen Jahren europaweit aus zigtausenden von Einzelfällen herausdestillierte, verlässliche Strah- lungsrichtwerte für empfindliche Personen3 gibt. Die Verweigerung der Kenntnisnahme erstaunt nicht, denn der Richtwert für Unbedenklichkeit beträgt (in V/m) gerade mal ein Tausendstel des Schweizer Anlagegrenzwertes für Mobilfunkan- tennen....
Röösli wird ICNIRP-Vorstandsmitglied
Dr. Martin Röösli ist von der ICNIRP in ihre 14-köp- fige leitende Kommission per 13. Mai 2016 ko- optiert worden. Er gehört nun dem Privatverein an, der seit seiner Gründung bis zum heutigen Tag mit eiserner Konsequenz weltweit die indus- triefreundliche Position durchsetzen will, wonach hochfrequente elektromagnetische Strahlung unterhalb der ICNIRP-Grenzwerte keinerlei ge- sundheitsschädliche Auswirkungen habe. So hofft die Industrie, sich noch lange vor Gerichtsklagen wegen gesundheitlicher Schäden schützen zu kön- nen, für die sie bekanntlich nicht versichert ist. Allerdings beginnt jetzt diese Position unter dem Druck der Praxiserfahrungen sowie unabhängiger, seriöser Forschung zu wanken. Kann man in der ICNIRP sitzen, ohne sich aktiv am Halten ihrer Fes- tung zu beteiligen?
Solange im irrtümlichen Glauben an eine – angeb- lich wissenschaftlich gestützte – Unschädlichkeit der Strahlung der schrankenlose Weiterausbau der drahtlosen Telekommunikation politisch un- terstützt wird, bleibt nur die Hoffnung auf das zi- vilgesellschaftliche Engagement; darauf, dass viele informierte Menschen sich für das öffentliche Be- kanntwerden der Strahlungsauswirkungen einset- zen.
9. April 2016, Peter Schlegel, Bürgerwelle Schweiz
3 Richtwerte des Standards der baubiologischen Mess- technik, siehe z.B. www.baubiologie.de/downloads/ richtwerte-schlafbereiche-15.pdf
 





















































































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