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Gigaherz.ch 95. Rundbrief Seite 12
 WLAN, massiver Schlafräuber – aber „Strahlung
vernachlässigbar“ – wie geht das zusammen?
Entgegnung von Peter Schlegel zu Interviews mit Martin Röösli im Tages-Anzeiger vom 31. März 2016 und im Beobachter online vom 1. April 2016
Fachleute für die Messung von Elektrosmog wis- sen, an welcher Art von Elektrosmog die Men- schen leiden. Sie fühlen den Puls der Bevölkerung, sie kennen die Klagen und können deren Berech- tigung beurteilen. „Seit der Nachbar den WLAN- Router rund um die Uhr eingeschaltet lässt, ist an Schlaf nicht mehr zu denken!“, hört man seit ein paar Jahren gehäuft. „WLAN nachts abgeschaltet: ich schlafe wieder!“ ist die dankbare Rückmel- dung, falls der Nachbar ein Herz hatte.
Landesweit, europaweit, weltweit dieselben Nach- richten: Schlafzimmer verlegt oder abgeschirmt, Wohnung gekündigt, Arbeitsstelle gewechselt, im Hotelbett kein Auge geschlossen, Kind aus der Schule genommen, vom öffentlichen Verkehrs- mittel aufs Privatauto umgestiegen – oft wegen WLAN! Diese Strahlungsart ist als Ursache immer häufiger ganz vorne mit dabei, neben Mobilfunk- antennen, Smartphones & Co., Schnurlostelefo- nen und vielen anderen Strahlungsquellen, die ebenfalls zu den Beschwerdesymptomen und Ge- sundheitsproblemen beitragen.
Der Graben zwischen Wirklichkeit
und „heutigem Wissensstand“
Liest man die Interviews mit dem Forscher Martin Röösli im Tages-Anzeiger vom 31. März und im Be- obachter online vom 1. April 2016, so tritt man in eine andere Welt ein. Der Kontrast zur Realität ist bizarr: „WLAN-Strahlung macht nur einen kleinen Teil an der Gesamtstrahlendosis aus, ihr Einfluss ist somit vernachlässigbar“, so Röösli. Und die Inter- viewerin ist jetzt überzeugt, dass WLAN-Strahlung „auf die kognitiven Fähigkeiten nach heutigem Wissensstand keinen Einfluss“ hat.
Zwischen Praxiserfahrung und öffentlich behaup- tetem „Stand der Wissenschaft“ klafft ein Graben, der zwei Welten trennt: Diesseits die Alltagsreali- tät mit verbreitetem Leiden am Elektrosmog, ins- besondere auch an WLAN-Strahlung; jenseits des Grabens eine kleine Zahl von Forschern, nach de- ren Meinung man noch zu wenig weiss, um Mass- nahmen zu empfehlen, und WLAN-Strahlung sei sowieso nur sehr schwach. Die solches sagen, sind
die wissenschaftlichen Gewährsleute der zuständi- gen Bundesämter, Universitäten und Forschungs- stiftungen. Sie sind es, die von den Journalisten angefragt und interviewt werden; sie beherrschen die öffentliche Meinung. In der Schweiz ist es seit mehreren Jahren Martin Röösli, der die Aufgabe erfüllt, die Risiken der Strahlung öffentlich zu ver- harmlosen, indem er sich strikt auf einen von ihm so gesehenen „heutigen Wissensstand“ beruft.
Schädlichkeit offensichtlich –
aber offiziell geleugnet
1993, bei Sendebeginn im ersten digitalen Mobil- funknetz (GSM), gründeten am Sitz des deutschen Bundesamtes für Strahlenschutz acht industriena- he Wissenschaftler aus aller Welt nach privatem Vereinsrecht die ICNIRP – Internationale Kommis- sion zum Schutz vor Nichtionisierender Strahlung. Dieser Verein dachte sich Strahlungsgrenzwerte aus, die so hoch sind, dass sie die Industrie mög- lichst wenig behindern sollten. Nun mussten die Staaten diese Grenzwerte noch zum Gesetz ma- chen. Dies gelang, indem die private ICNIRP zu die- sem Zweck die Weltgesundheitsorganisation WHO einspannte.
Seit bald zwei Jahrzehnten wird stets klarer, dass diese Grenzwerte die Bevölkerung keineswegs schützen, denn immer mehr Menschen leiden unter der Strahlung. Doch Behörden und Indus- trie bestreiten dies hartnäckig. Sie behaupten, die Wissenschaft habe den Schädlichkeitsbeweis nicht geliefert. Zugleich stellen sie jedoch die Stu- dienlage ganz einseitig dar, und die umfangreiche Praxiserfahrung ignorieren sie. Wo Widerstand aufkommt, etwa ein solcher gegen Antennen, ver- sichern sie zwar eilig, sie nähmen die „Ängste der Bevölkerung“ ernst. Doch das schürt nur zusätzli- chen Unmut. Es handelt sich ja nicht um diffuse Ängste, sondern um wohlbegründete Bedenken.
Die Grenzwerte schützen vor etwas,
das nicht das Problem ist
Die Grenzwerte der ICNIRP wurden unter ihrem Gründungsvorsitzenden Michael Repacholi aus- gearbeitet. Er war (und ist) der bekannteste wis-

















































































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