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Gigaherz.ch 84. Rundbrief Seite 3
 Ein Osterei für die Mobilfunker
Aargauische Gemeinden dürfen nicht mehr, sie müssen jetzt! Nämlich das Dialogmodell anwenden. von Hans-U. Jakob, Schwarzenburg, 26. März 2013
Im sogenannten Dialogmodell ist vorgesehen, dass die Mobilfunkbetreiber den Gemeinden möglichst frühzeitig bekanntgeben, wo genau sie eine Basis- station (Mobilfunkantenne) errichten möchten. Im Gegenzug können die Gemeinden im Umkreis von 200m einen Ersatzstandort anbieten, welcher qua- litativ die selbe Netzabdeckung gewährleistet. Die Verschiebung eines Mobilfunkmastes um nur 200m bringt den Anwohnern selten die gewünsch- te Entlastung, im schlimmsten Fall sogar eine hö- here Belastung. Erklärungen dazu gibt es unter: www.gigaherz.ch/598, www.gigaherz.ch/1539 und www.gigaherz.ch/1823.
Im Kanton Aargau hat der Regierungsrat das soge- nannte Dialogmodell den Gemeinden bereits im Mai 2009 aufgebrummt, ohne diese jemals um ih- re Meinung zu fragen. Sowohl der Kanton Luzern wie der Kanton Thurgau bearbeiten zur Zeit die Gemeinden ständig, dem Dialogmodell doch frei- willig beizutreten.
Die allermeisten zum Dialogmodell verdonnerten Aargauer Gemeinden futieren sich jedoch seit vier Jahren um die Möglichkeit des Anbietens von Er- satzstandorten. Damit ist nun Schluss. Mit Be- schluss des Regierungsrates vom 20. Februar 2013 werden die Aargauer Gemeinden verpflichtet Er- satzstandorte anzubieten und nötigenfalls auch durchzusetzen, wenn dies aus Gründen des Orts- bild- und des Landschaftsbildschutzes, sowie aus Gründen der Siedlungsentwicklung notwendig er- scheint.
Aus Können ist Müssen geworden
Die Mobilfunkbetreiber müssen laut Regierungs- ratsbeschluss den Gemeinden Netzabdeckungs- karten in genügender Qualität zur Verfügung stel- len, so dass auch funktechnische Laien im Stande sind, eine Beurteilung vorzunehmen, wo sich al- lenfalls andere Standorte anbieten würden. Es liegt dann im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde eine Güterabwägung vorzunehmen und zu bestim- men, wo der Mobilfunkmast gebaut werden soll.
Begründungen wie Ortsbildschutz, Landschafts- bildschutz und Siedlungsentwicklung lassen sich in jede Baueinsprache einbauen. Dann besteht Handlungsbedarf für den Gemeinderat. Denn bleibt er untätig, wird, wie das jüngste Beispiel aus der Gemeinde Seon zeigt, die Baubewilligung vom Regierungsrat aufgehoben und das Baugesuch mit
der Aufforderung, das Dialogmodell anzuwenden, an die Gemeinde zurückgeschickt.
Man stelle sich das einmal vor: Da haben die Mo- bilfunker endlich nach langer verzweifelter Suche einen Liegenschaftsbesitzer übertölpeln können, einen Mietvertrag mit ihnen zu unterschreiben. Übertölpeln ist eher untertrieben. Eigentlich sollte man sagen, arglistig zu täuschen. Denn die Argu- mente, die ein möglicher Standortgeber da aufge- tischt bekommt, sind meist haarsträubend:
„Wenn sie uns ihr Hausdach vermieten, können sie der Bevölkerung einen grossen Dienst erweisen und erst noch gutes Geld verdienen damit.“ oder „Es gibt 30‘000 Studien die belegen, dass Mobil- funkstrahlung absolut unschädlich ist.“ oder „Wir haben noch nie einen Elektrosensiblen gese- hen. Wer behauptet, unter dieser Strahlung zu lei- den ist lediglich geistesgestört.“ oder „Bei den paar wenigen Studien die diese Leute vorweisen können, handelt es sich durchwegs um Fälschungen.“ und was nie fehlt ist das uralte Märchen von den doo- fen Hausfrauen, die schon Kopfweh bekamen, als der Sender noch gar nicht eingeschaltet war.
Nützt das alles nichts, kann man noch zur Nachhil- fe finanzieller Art greifen. Kleine Geschenke an die Hausverwaltung sorgen oft für eine tiefe, langan- dauernde Freundschaft. Wenn endlich ein Platz für eine Antenne gefunden worden ist, soll nun die Schnorrerei wegen dem Dialogmodell im Umkreis von 200m von neuem losgehen. Das dauert doch wieder Monate, wenn nicht gar Jahre. Die armen Standortaquisiteure können einem direkt leid tun.
Der Zwang könnte zum Bumerang werden
Bei Gigaherz ist man jedenfalls gespannt darauf, ob die Mobilfunker den Beschluss Nr.2013-000133 des aargauischen Regierungsrates vom 20.2.2013 an das Verwaltungsgericht oder sogar an das Bun- desgericht weiterziehen. Denn der Zwang zum Dia- logmodell, einem Modell mit welchem eigentlich die Bevölkerung hätte getäuscht werden sollen, ist nun im Kanton Aargau zum Bumerang geworden. Oder besser gesagt, dieser Schuss ist den Mobil- funkern nach hinten losgegangen.
Ob der Einsprachegrund des nicht angewandten Dialogmodells nach Aargauer Art auch in andern Kantonen ziehen wird? Gigaherz wird es auspro- bieren.



















































































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