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Gigaherz.ch 111. Rundbrief Seite 18
 genügt da vollauf.
Da wollen uns doch in den Baugesuchen die Mobil- funker vorflunkern, sie könnten in dicht besiedelten Gebieten mit bloss 100Watt ERP (gegenüber bisheri- gen Sendeleistungen von 3000Watt ERP beim alten 3- und 4GNetz) jetzt ganze Regionen mit 5G versor- gen. Die sind wohl auf dem besten Weg, das Perpe- tuum Mobile zu erfinden.
Darüber, dass das nicht im Entferntesten stimmen kann, geben uns die Hersteller von 5G-Mobilfunk- kantennen Auskunft. ERICSSON spricht von Sen- deleistungen von 25’000Watt ERP und NOKIA von 32’000Watt ERP.
Ferner verlangen die Schweizer Mobilfunkbetreiber in dem am 29. November 2019 veröffentlichten Be- richt «Mobilfunk und Strahlung» ultimativ eine Er- höhung des Anlagegrenzwertes von 5 auf 20V/m, ansonsten die Einführung eines 5G-Netzes innerhalb von 3 Jahren gar nicht möglich sei. Was den Mobil- funkbetreibern nicht etwa 4mal stärkere Sendeleis- tungen erlauben würde, sondern 16mal. Man stelle sich das einmal plastisch vor. Heutige Antennens- tandorte senden mit durchschnittlich 3000Watt ERP in einen 120° Kreissektor. Bei erlaubten 20V/m wä- ren das dann 16x3000Watt ERP=48’000Watt ERP. Dies inmitten von dicht besiedelten Gebieten! Diese Forderung ist plausibel, denn darin hätten die 5G- Antennen von Ericsson bequem Platz. Und wir An- wohner hätten dann nicht nur die strahlungsstärks- ten Mobilfunksender Europas, sondern auch noch der ganzen Welt.
Die Anbieter verlangen, dass eben diese Grenz- werte gelockert werden. Plädieren Sie als Experte ebenfalls dafür?
Ja. Einfach aus dem Grund, weil wir das einzige Land sind, dass so strenge Anlagegrenzwerte durchsetzt. Aber leben wir deshalb gesünder als unsere Nach- barn? Das würde ich nicht behaupten. Die Grenz- werte wurden vor zwanzig Jahren nach dem Vorsor- geprinzip eingeführt, einfach damit man mögliche Gefährdungen vorbeugen konnte. Mittlerweile soll- te man sich die Frage stellen, ob das immer noch nötig ist.
Die Behauptung von den angeblich 10mal besseren Anlage-Grenzwerten erfolgt von Fachleuten wider besseres Wissen und beruht bei funktechnischen Laien auf zwei grossen Irrtümern.
Erstens: Immissionsgrenzwerte (andere Länder ver- wenden nur diesen) sind Grenzwerte, welche den Si- cherheitsabstand zu einer laufenden Antenne mar-
kieren. Ein Abstand innerhalb dessen sich NIE ein Mensch aufhalten darf. Dieser liegt je nach Sende- leistung 8-12m vor und 1-2m unterhalb des Anten- nenkörpers. Falls diese Grenze überschritten wird, riskiert der Mensch einen Anstieg der Körpertem- peratur um 1°C, das heisst von 37 auf 38°C inner- halb von 6 Minuten. Der Anlagegrenzwert (diesen verwendet die Schweiz zusätzlich) dagegen ist der Grenzwert für Orte, wo sich der Mensch dauernd aufhalten muss. Weil er da wohnt oder arbeitet. Das heisst 24 Stunden am Tag während 365 Tagen im Jahr und nicht nur 6 Minuten. Das ist ein himmelwei- ter Unterschied. Im Gegensatz zur sofortigen Wär- mewirkung dient der Anlagegrenzwert dem Schutz vor hochfrequenten elektromagnetischen Strahlun- gen mit ihren schleichenden Langzeitwirkungen, wie beispielsweise Krebserkrankungen oder Schäden am Erbgut.
Wer diesen Unterschied nicht kennt, würde besser auf die Beurteilung von Mobilfunkanlagen verzich- ten.
Zweitens: Dort wo der Anlagegrenzwert berechnet oder gemessen wird, ist die Strahlung aus rein phy- sikalischen Gründen bereits auf 10% des Immissi- onsgrenzwertes abgesunken. Dieses aus Gründen der Distanz, aus der Abweichung zur Senderichtung (vertikal wie horizontal) und in Antennennähe zu- sätzlich noch wegen der Gebäudedämpfung. Das heisst, dass in Ländern, in denen nur der Immissi- onsgrenzwert vorgeschrieben ist, der effektive Wert in den Strassen und Wohnungen genau gleich ist wie in der Schweiz. Das sind physikalische Gesetze, welche selbst Bundesrichter nicht ändern können, obschon sie dies seit 20 Jahren immer wieder von Neuem versuchen.
Als Beispiele für die Nutzung von 5G werden oft Dinge genannt, die in der Industrie Verwendung finden. Werden die Bedürfnisse der Wirtschaft nicht über diejenigen der Gesellschaft gestellt? Wenn es der Wirtschaft gut geht, profitiert auch die Einzelperson – etwa, indem es mehr Jobs gibt oder das Gesundheitssystem ausgebaut wird. Meiner Meinung nach kann man da keine solch harte Gren- ze ziehen. Zudem gibt es mit neuen Möglichkeiten auch immer neue Anwendungen. Keiner kann heu- te sagen, für was alles wir 5G in ein paar Jahren nut- zen können. Dafür ist die Welt zu komplex.
Digitalisieren heisst in erster Linie automatisieren. Und Automatisieren heisst gar nichts anderes als möglichst viele Arbeitsplätze wegsparen. Und dies- mal in gigantischem Stil. Diesmal geht es nicht nur





















































































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