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Gigaherz.ch 96. Rundbrief Seite 3
 Dicke Post aus Lausanne!
Blödsinn, sagte auch das Bundesgericht und hob die Plangenehmigung auf: Urteil 1C_172/2011. Das Bundesgericht ging sogar noch einen gewaltigen Schritt weiter und befand, dass fortan der 1Mikro- tesla-Grenzwert auch bei der Sanierung von alten Einzel-Leitungen (ohne Parallelführung) einzuhal- ten sei. (Erwägungen 3.7.1 und 3.7.2.) Es gelte der Grundsatz nach Art. 18 Abs.1 Umweltschutzgesetz.
DE/HEIDI WIESTNER (USG-Kommentar, N 36 zu Art. 18) halten fest, dass Art. 9 Abs. 1 lit. a NISV lediglich ein Verschlechterungsverbot enthalte. Art. 18 USG wolle aber mehr erreichen: Die Bestimmung sehe eine gleichzeitige Sanierung vor und lasse Erleichte- rungen kaum mehr zu. Bei der wesentlichen Ände- rung einer sanierungsbedürftigen Anlage genüge es deshalb nicht, nur den bisherigen Zustand beizube-
Zitate aus Urteil 1C_172/2011
(Hohle Gasse):
3.7.1. [...] Allerdings hielt
das Bundesgericht (im Urteil
1A.184/2003) fest, dass Ziff. 16
Anh. 1 NISV – wie alle Bestim-
mungen der NISV und ihrer An-
hänge – im Lichte der Grund-
sätze des USG ausgelegt und
angewandt werden müsse. Die Regelung dürfe nicht dazu führen, dass bestehende Hochspannungslei- tungen über Jahrzehnte hinweg weiterbetrieben und sogar modifiziert werden könnten, ohne dass je auch nur geprüft werde, ob es weitere wirtschaftlich zumutbare Massnahmen zur vorsorglichen Emissi- onsbegrenzung gebe. Das Bundesgericht deutete an, dass die in Ziff. 16 Anh. 1 NISV enthaltene Pri- vilegierung von Altanlagen möglicherweise zeitlich befristet werden müsste. Jedenfalls aber sei eine weitergehende Prüfung emissionsbegrenzender Massnahmen bei einer wesentlichen Änderung der Anlage gemäss Art. 18 USG geboten (E. 4.6).
Dies hat zur Folge, dass sich die Genehmigungsbe- hörde jedenfalls bei einer wesentlichen Änderung der Anlage nicht mit dem Verschlechterungsverbot gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. a NISV und der Optimierung der Phasenbelegung (Ziff. 16 Anh. 1 NISV) begnügen darf.
3.7.2 Auch in der Literatur wird die Auffassung ver- treten, Art. 9 NISV müsse im Lichte von Art. 18 USG ausgelegt werden.
Für BEATRICE WAGNER PFEIFFER (Umweltrecht I, 3. Aufl., Rz. 618 S. 211 f.) ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 USG bei einer wesentlichen Änderung einer sanie- rungsbedürftigen Anlage grundsätzlich die Pflicht zur Einhaltung der Anlagegrenzwerte (1Mikrotes- la*). Zwar seien Erleichterungen nach Art. 18 Abs. 2 USG nicht von vornherein ausgeschlossen, jedoch sollte im Falle der Bewilligung einer wesentlichen Änderung der Widerruf bisher gewährter Erleichte- rungen eigentlich die Regel bilden. ANDRÉ SCHRA-
Die einzigen zwei Möglichkeiten, die zur Einhaltung des 1Mikrotesla- Grenzwertes von Hochspan- nungsleitungen führen, sind die Verschiebung und die Erdverlegung.
halten, sondern sei in der Regel der Anlagegrenzwert (1Mikro- tesla) einzuhalten.
Auch REGULA HUNGER (Die Sanierungspflicht im Umwelt- schutz- und im Gewässer- schutzgesetz, Diss. Zürich 2010, S. 115) geht davon aus, dass Art. 9 NISV nur auf Anlagen an- wendbar sei, die nicht wesent- lich verändert werden. Bei einer
wesentlichen Änderung sei hingegen der Anlage- grenzwert (1Mikrotesla*) einzuhalten.
*Der Anlagegrenzwert beträgt immer 1 Mikrotesla. 100Mikrotesla wird nur der alte Immissionsgrenz- wert genannt.
Bundesrat verbietet Verschiebung und Erdverlegung
Es ist unfassbar, was nun der Bundesrat am 23. März 2016 aus diesem Bundesgerichtsurteil gemacht hat: Er verbietet kurzerhand die einzigen zwei Möglich- keiten, die zur Einhaltung des 1Mikrotesla-Grenz- wertes führen können, nämlich die Verschiebung und die Erdverlegung. Sie trauen dem Bundesrat so viel Hinterlistigkeit nicht zu? Dann lesen Sie doch bitte selbst.
Zitate aus der geänderten NISV vom 23. März 2016
Art. 17 Änderung alter Anlagen
1 Geänderte alte Anlagen müssen im massgebenden Betriebszustand an Orten mit empfindlicher Nut- zung den Anlagegrenzwert einhalten.
2 Der Anlagegrenzwert darf überschritten werden, wenn der Inhaber der Anlage nachweist, dass:
a. die Phasenbelegung, soweit dies technisch und
betrieblich möglich ist, optimiert ist; und
b. alle Massnahmen nach Ziffer 15 Absatz 2 Buch- stabe b getroffen werden, soweit sie nicht unter
den Vorbehalt von Absatz 3 fallen.
3 Folgende Massnahmen müssen nicht getroffen werden:
a. die Verkabelung von Leitungssträngen einer
Nennspannung von 220 kV oder mehr;
b. die Verkabelung von Leitungssträngen der Fre-
quenz von 16,7 Hz;






























































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