Page 9 - 94. Rundbrief.indd
P. 9

Gigaherz.ch 94. Rundbrief Seite 9
 stellung der Ergebnisse des von der EU geförderten REFLEX-Projektes bei BEMS2003 auf Maui, Hawaii, nicht erspart. Die Sitzung, in der gezeigt wurde, dass ELF- und RF-EMF in isolierten menschlichen Zellen eine gentoxische Wirkung haben, was inzwischen mehrfach bestätigt wurde, endete unter dem Ge- lächter der Anwesenden im Chaos.
c) Solange Debatten mit dem Ziel, die Prinzipien der Wissenschaft gegen industriegefällige Vorstel- lungen zu verteidigen, vermieden werden, kann getrost darauf verzichtet werden. Diese Erkenntnis ergibt sich aus den Plenarsitzungen zu den Themen Vorsorgeprinzip und Elektrosensibilität bei der BIO- EM2015. Da in der nachfolgenden Diskussion kei- nerlei Versuche unternommen wurden, die gegen- sätzlichen Meinungen auf ihre wissenschaftliche Wertigkeit hin zu überprüfen, verfehlten sie ihr Ziel.
d) Leszczynskis berechtigter Wunsch, dass die Au- toren wichtiger epidemiologischer und tierexperi- menteller Studien ihre Ergebnisse vor allem bei den BIOEM-Konferenzen zur Diskussion stellen, dies möglichst in Gegenwart der Vertreter von ICNIRP, WHO, BioInitiative, usw., wird wohl, so wünschens- wert dies wäre, niemals in Erfüllung gehen. Von vorne herein steht nämlich fest, dass die gegensätz- lichen Vorstellungen der Konferenzteilnehmer über Sinn und Zweck der Wissenschaft nicht überbrückt werden können.
3) Zum Schluss kritisiert Leszczynski, dass bei der BIOEM2015 zwar eine Vielzahl von bioelektroma- gnetischen Themen behandelt wurde, biologische Wirkungen von EMF direkt am Menschen aber nur sehr spärlich vertreten waren. Seiner Meinung nach ist es jedoch ohne Untersuchungen direkt am Men- schen nahezu unmöglich, den Nachweis zu führen, dass EMF im menschlichen Organismus physiologi- sche Veränderungen mit Relevanz zur Krankheits- entstehung induzieren. Auf der Grundlage seiner eigenen beruflichen Erfahrungen äußert er den Verdacht, dass Forschungsvorhaben dieser Art aus Angst vor den Konsequenzen von den Entschei- dungsträgern in Politik und Industrie absichtlich ver- hindert werden. Dass dieser Verdacht keineswegs unbegründet ist, mag folgende schier unglaubliche Begebenheit verdeutlichen.
Nach Abschluss des von der EU-Kommission ge- förderten REFLEX-Projekts, das ich koordinierte, bereitete ich zusammen mit einem neuen For- schungskonsortium, dem auch Leszczynskis Ar- beitsgruppe angehörte, ein REFLEX-Nachfolgepro-
jet vor. Mit dem Titel Potenzielle gesundheitliche Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung bei Kindern und Heranwachsenden (Kurzname: MOPHORAD) entsprach es ziemlich genau den Vorstellungen von Leszczynski, deren Bearbeitung er bei BIOEM2015 so sehr vermisste. Am 25. Februar 2008 reichte ich den Forschungsantrag bei der EU-Kommission mit der Bitte um Förderung ein. Am 28.Mai 2008 wurde mir das Ergebnis der Begutachtung durch die EU- Kommission mitgeteilt. Mit der hervorragenden Bewertung von 12,5 von 15 möglichen Punkten war der Kommission zur Förderung vorgeschlagen wor- den. Es dauerte ein halbes Jahr, nämlich bis zum 9. Dezember 2008, als ich schließlich von der Kommis- sion die Mitteilung erhielt, dass MOPHORAD nicht gefördert werden könne.
Was war in diesen 6 Monaten zwischen Auswer- tung und Entscheidung geschehen? Professor Ale- xander Lerchl von der privaten Jacobs University in Bremen, seit Jahren im Einsatz für die Interessen der Mobilfunkindustrie, hatte die Zeit genutzt, um bei MOPHORAD die Notbremse zu ziehen. Vier Jah- re nach Abschluss der REFLEX-Studie erfand er die Geschichte, dass deren Ergebnisse – der Neuantrag an Brüssel beruhte auf ihnen – durch Fälschung entstanden seien. Diese Verleumdung reichte of- fensichtlich – übrigens durchaus nachvollziehbar – aus, um die Förderung von MOPHORAD durch die EU-Kommission zu verhindern. Lerchl wurde in Anerkennung seiner Verdienste durch die Bundes- regierung wenig später in die deutsche Strahlen- schutzkommission (SSK) berufen. Diesem berufli- chen Aufstieg folgte allerdings sieben Jahre später der ebenso jähe Absturz. Im Frühjahr 2015 wurde er vom Landgericht Hamburg wegen Ehrverlet- zung in Zusammenhang mit der der REFLEX-Studie rechtskräftig verurteilt. Für seine weit üblere Tat, die Verhinderung der MOPHORAD-Studie, wird er wohl straffrei bleiben.
Weiterführende Links:
http://www.gigaherz.ch/mobilfunkforschung-im- wuergegriff-von-industrie-und-politik/
und http://www.gigaherz.ch/der-perfekte-bumerang/
























































































   7   8   9   10   11