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Gigaherz.ch 90. Rundbrief Seite 10
 Paragraphenreiterei
Das Zürcher Baurekursgericht serviert Einsprecher mit üblen juristischen Tricks und Paragraphenreiterei ab.
von Hans-U. Jakob, Schwarzenburg, 29. 10.2014
Die gekaufte Rechtssicherheit
Am 25. Februar 2012 lieferten die Schweizer Mobil- funkbetreiber insgesamt 1 Milliarde Franken an so- genannten Konzessionsgebühren in die Staatskasse ab und erhielten im Gegenzug die Gewährleistung der Rechtssicherheit für die nächsten 16 Jahre. Oder im Klartext: Keine Verschärfung der Verordnung über die Nichtionisierende Strahlung vom Februar 2000 mit ihren fragwürdigen Strahlungsgrenzwer- ten sowie keinerlei Behinderung im Aufbau neuer zusätzlicher Mobilfunknetze mit voraussichtlich 10 mal mehr Basisstationen (Antennen) als bisher.
Weil sich landesweit hunderte von Einsprecher- gruppen nicht für dumm verkaufen und sich mund- tot machen lassen und die Gerichtsinstanzen immer wieder aufs Neue mit neuen Gesundheits-Studien attackieren, hat sich das Baurekursgericht des Kan- tons Zürich verschiedene üble Tricks einfallen las- sen. (Entscheid BRGE 0118/2014 vom 16. Oktober 2014)
Trick Nr. 1 - Verdoppelung der Gerichtskosten
Bis anhin kam kein Urteil dieser Instanz, die jetzt nicht mehr Baurekurskommission, sondern Baure- kursgericht heisst, über Fr. 4000.- zu stehen. Nun versuchten die Kommissionsmitglieder, die sich jetzt Richter nennen dürfen, einer Einsprecherge- meinschaft Kosten in der Höhe von Fr. 8‘200.- auf- zuhalsen.
Der Karrieresprung vom Kommissionsmitglied zum Richter hat nicht etwa zu grösserer Weisheit und besserem Fachwissen geführt, sondern zu richterli- chen Erwägungen, die getrost als Cabaret-Nummer bezeichnet werden dürfen.
Trick Nr. 2 - Paragraphenreiterei
Mit neuen Studien aus dem Tierreich arg in die Enge getrieben, kommt das Baurekursgericht (BRG) unter Punkt 7.1 seiner Erwägungen zum Schluss, die in der Verordnung über nichtionisierende Strahlung (NISV) festgeschriebenen Grenzwerte müssten lediglich den Menschen, nicht aber Tiere schützen. Das gehe daraus hervor, dass diese Grenzwerte nur an Orten empfindlicher Nutzung wie Wohnungen, Kranken- zimmer, Schulzimmer und Innen-Arbeitsplätzen Gültigkeit hätten. Und hier würden sich keine Tiere
aufhalten. Tierstudien müssten infolgedessen vom Gericht nicht anerkannt werden.
In Punkt 7.2 fährt das BRG fort: Sollte der Gesetzge- ber etwa Nutztiere gemeint haben, so seien diese im Bezug auf nichtionisierende Strahlung keines- wegs empfindlicher als Menschen und seien somit ebenfalls bestens geschützt.
FAZIT: Die Zürcher Juristen müssen das ja wissen. Denn Babys kommen ja auch nicht blind zur Welt, ergo ist die Kälberblindheit von der Veterinärmedi- zin, von Tierärzten und Bauern frei erfunden. Und wenn Menschen über eine Distanz von 3 km den Heimweg immer finden, können Bienen das auch. Punkt.
Also liebe Tiere, meldet euch
Weitere richterliche Erwägungen lauten: Die Nutz- tiere könnten die Menschen-Grenzwerte nur dann beanspruchen, wenn sie nachweisen würden, dass sie mit Menschen zusammenleben.
Freilebende Wildtiere und weidende Kühe hätten keinen gesetzlichen Anspruch auf Schutz vor nich- tionisierender Strahlung. Es sei denn, die Tiere wür- den unter Artenschutz stehen, was diese jedoch zuerst explizit nachweisen müssten, was im vorlie- genden Fall nicht der Fall gewesen sei. Hoppla!
Im Weiteren bezieht sich das Zürcher Baurekursge- richt auf Aussagen der Deutschen Strahlenschutz- kommission, wo ja der allseits bekannte Professor Alexander Lerchl von der privaten, von Finanznöten geplagten Jacobs-(Kaffee-) Universität lange Jah- re Vorsitzender des Ausschusses nichtionisierende Strahlung war. Dieser hat doch immerhin in einer 750‘000 Franken teuren Studie herausgefunden, dass Ratten bedenkenlos mit dem Handy telefonie- ren dürfen, bevor sie als Schlangenfutter ihr elen- des Dasein beenden.
Evi Gaigg, die langjährige Vereinssekretärin von Gigaherz, hat einmal einen Verwaltungsrichter ge- fragt, ob er eigentlich jeweils am Morgen seinen gesunden Menschenverstand an der Reception ab- gebe?
Diese Frage dürfte sich jetzt wohl abschliessend be- antwortet haben.














































































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