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Gigaherz.ch 85. Rundbrief - 3. Quartal 2013 Seite 2
 Zum Gedenken an Walter Bläuenstein
Ein Nachruf von Hans-U. Jakob
Am 21. Juli ist unser tapferer Mitstreiter Walter Bläuenstein an den Folgen eines nicht vollstän- dig entfernbaren Hirntumors im Alter von 72 Jahren gestorben. Walter musste sich bereits vor einigen Jahren einer äusserst schwierigen Kopfoperation unterziehen. Während 14 Stun- den versuchten spezialisierte Chirurgen, ihn von einem Hirntumor an einer sehr schwer zugängli- chen Stelle zu befreien. Walter sagte mir nach einer Nachuntersuchung ein Jahr später, die Chi- rurgen hätten „nicht alles erwischt“ man hätte ihm sein Leben nicht retten, sondern nur ein we- nig verlängern können.
Walter Bläuenstein wurde 1941 in einem Mütter- und Säuglingsheim in Zürich geboren. Seine El- tern hat er nie kennengelernt. Der Kleine wurde von den Behörden an verschiedenen privaten Pflegeplätzen untergebracht. Seine Mutter starb, als er 3 1⁄2 Jahre alt war. Daraufhin wurde er zur Vollwaise erklärt und in ein Kinderheim gesteckt. Typisch für die damalige Zeit ist, dass sein Vater in den amtlichen Dokumenten nirgends er- scheint. Schuld an einer ausserehelichen Geburt war immer die Frau.
Trostlose Jugend
Die Zeit bis zum 7. Altersjahr verbrachte er im Kinderheim des Spitals Brugg. Dann fanden es die Behörden an der Zeit, dass er seinen Lebensun- terhalt selber verdienen könne und verdingten ihn an einen Bauern in Schmidrued.
Walter erzählte uns selber:
Für alles und jedes gab man mir die Schuld. Dazu wurde ich viel und heftig bestraft, die Striemen davon waren jeweils am Körper zu sehen. Am Es- sen wurde gespart, es war meistens zu knapp und qualitativ schlecht. Der Beck, der Käser und der Metzger kannten die Verhältnisse und gaben mir ab und zu im Versteckten Brot, Käse oder eine Wurst, meine Pflegeeltern durften davon nichts wissen. Vor dem Schulbeginn zwischen 6 und 7 Uhr morgens musste ich grasen helfen, im Stall misten und die Milch zur Käserei fahren.
In der Schule hatte es neben mir noch weitere Verdingbuben in Klasse, und als solche wurden wir ausgegrenzt. Der Lehrer verfuhr mit uns je nach Laune und oft setzte es Prügel mit dem Ha- selstecken ab.
An Weihnachten bekam ich jeweils Arbeitskleider geschenkt. Wie ich später herausfand, waren die- se jedoch der Fürsorge verrechnet worden. Mein Amtsvormund kam etwa jedes zweite Jahr auf den Hof, wurde dann jeweils fein bewirtet und von den Verdingeltern eingeseift.
Der Knecht
Nach der Schulzeit musste Walter bis zum Alter von 17 Jahren weiter als Knecht auf dem gleichen Hof dienen, natürlich ohne Lohn. Das war damals so üblich, die Behörden wollten das so, weil die Pflegeeltern schliesslich für ihre „Bemühungen“ entschädigt werden mussten.
Der Zimmermann
Anschliessend konnte Walter eine Lehre als Zim- mermann absolvieren. Wem er das zu verdanken hatte, erfuhr er erst, als er volljährig wurde und seine Vormundschaftsakten herausverlangte. Es war sein um 7 Jahre älterer Bruder, von dessen Existenz er vorher auch nichts gewusst hatte. Sei- ne karge Freizeit während der strengen Zimmer- mannslehre hatte Walter auf Geheiss seines Vor- mundes wiederum auf dem Bauernhof zu ver- bringen. Mit Gratisarbeit. Danach arbeitet Walter 4 Jahre als Zimmermannsgeselle in einem Zimme- reibetrieb und hatte endlich eigenes Geld und ein eigenes Zimmer in einer Pension.
Der Beamte
Nach dieser Zeit trat Walter in den Dienst eines Sägereibetriebes, wo er als Berufsmann innert Kürze zum Vorarbeiter avancierte. Von einem Untergebenen hinausgemobbt, fand er eine Stel- le beim Vermessungsamt des Kantons Aargau. Und wieder einige Jahre später beim Polizeikom- mando desselben Kantons als Sachbearbeiter für Schadenserledigungen mit Versicherungen.
Der Hausbesitzer
Als Kantonsangestelltem war es Walter möglich, ein eigenes Haus zu bauen. Die Bank gab ihm Geld für Land und Material. Für den Rest gab er seine ganze Freizeit und sein ganzes Können als Zimmermann. Im eigenen Haus zu wohnen, war Walter nur 8 Jahre vergönnt.
Walter schrieb selber:
Obwohl mir einige im Dorf wohlgesinnt waren, gab es auch Neider und ich musste einsehen, dass














































































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