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Gigaherz.ch 85. Rundbrief - 3. Quartal 2013 Seite 14
 68 Anwälte gegen einen Gartenzwerg
Das Bundesgericht setzt dem Kaffeesatzlesen und der Wahrsagerei bei amtlichen Abnahmemessungen an Mobilfunksendern endlich ein Ende.
Von Hans-U. Jakob, Schwarzenburg, 24.9.2013
An Orten empfindlicher Nutzung, das heisst, dort wo sich Menschen länger als 2.2 Stunden täglich aufhalten, müssen die in den Baugesuchen von den Mobilfunkbetreibern vorausberechneten Feldstärken anlässlich von sogenannten amtli- chen Abnahmemessungen bestätigt werden, wenn die Vorausberechnung mehr als 80% des erlaubten Strahlungswertes beträgt. Dieses Ver- fahren sollte der allgemeinen Volksberuhigung dienen, was es anfänglich auch tat. Bis eines Ta- ges bei Gigaherz unter Beilage von Beweismitteln publiziert wurde, dass das angewandte Messver- fahren lediglich eine Genauigkeit von ±45% auf- wies.
6 Jahre lang gegen eine Mauer geredet
Seit dem Jahr 2007 stand deshalb in jeder der ca. 300 Baueinsprachen gegen Mobilfunksender, bei welcher sich die Verfasser bei der Fachstelle nichtionisierende Strahlung von Gigaherz Rat ge- holt hatten, sinngemäss Folgendes:
„Von der Baubewilligungsbehörde wird eine Er- klärung verlangt, wie unter solchen Umständen die Einhaltung der Grenzwerte garantiert werden soll. Nicht eine juristische Erklärung, sondern eine mathematische, weshalb am Gerät abgelesene 4.95V/m mit ev. +42% immer noch die sicheren 4.9999V/m geben sollen. Kann diese Erklärung nicht beigebracht werden, ist die Anlage nicht be- willigungsfähig.“
Vorgeschichte siehe unter: www.gigaherz.ch/1692, www.gigaherz.ch/1302 und www.gigaherz.ch/1147
Anlagegrenzwert sowieso kein Gefährdungswert darstelle, sondern eine Vorsorge, welche sich le- diglich nach der technischen Machbarkeit und der wirtschaftlichen Tragbarkeit zu richten habe. Obschon diese absurde These selbst noch in ei- nem Bundesgerichtsurteil 1C_118/2010 vom 20. Oktober 2010 wortreich gestützt wurde, hat der- selbe Gerichtshof nun ganz überraschend eine Kehrtwendung um 180° vollzogen.
Die Kehrtwende des Bundesgerichts
In einer Baueinsprache betreffend eines Mobil- funksenders auf der Schützenmatte in Murten fragte die NIS-Fachstelle von Gigaherz das Bun- desgericht, wie lange es sich wohl noch dem Spott und Hohn der Bevölkerung aussetzen wolle, indem es vorausberechnete Strahlungswerte die oft nur 1% unterhalb der erlaubten Schwelle la- gen, mit Instrumenten kontrollieren wolle, die nicht genauer als ±45% messen könnten.
Das Urteil
In Urteil 1C_661/2012 vom 5. September 2013 ist das Bundesgericht nun der Argumentation von Gigaherz gefolgt und hat das Baugesuch mit der Begründung, dass solche Messverfahren nun wirklich nicht mehr dem heutigen Stand der Technik und den heutigen Anforderungen an ein Gerichtsverfahren entsprechen, an die Vorinstan- zen zurückgewiesen. Dies mit dem Auftrag, durch das Bundesamt für Metrologie und Akkreditie- rung abklären zu lassen, welche Genauigkeits- Anforderungen an heutige Messverfahren ge- stellt werden dürfen.
Die Ausflüchte kommunaler
und kantonaler Behörden bis
hinauf zu den kantonalen Ver- waltungsgerichten waren
ebenso vielfältig wie grotesk.
Die bernische Baudirektion
meinte einst sogar, die Mess-
technik habe gewaltige Fort-
schritte gemacht, neueste
Messgeräte seien von ±33%
auf ±45% verbessert worden.
Ausrede war indessen, dass der einzuhaltende
Das Ende der Hüllkurven
Ein weiterer interessanter As- pekt im selben Urteil: Die Bau- gesuchstellerin Swisscom ver- wendete im selben Baugesuch 3 Antennendiagramme, wel- che angeblich sogenannte Hüllkurven für insgesamt 15 verschiedene Antennentypen darstellen sollten. Das heisst, je ein Antennendiagramm soll-
te jeweils für 5 verschiedene Antennentypen gel- ten. Verglich man jedoch diese Hüllkurve mit den
Da dies ein wegweisendes Bundesgerichtsurteil ist, gilt dieses nicht nur für den Fall Schützenmatte Murten, sondern landesweit in allen Kantonen.
Die meistgehörte





































































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